Übertreibe ich?

Hallo zusammen!

Ich bin sonst stumme Mitleserin, habe mich aber nun entschlossen, mich auch anzumelden.
Ich bin gerade ziemlich aufgelöst, wütend und fassungslos.
Ich bemühe mich, verständlich zu schreiben – und mir ist klar, dass ich hier nur meine Sicht und Wahrnehmung der Situation darstellen kann.
Ich brauche Eure Meinung zu einer Situation, die sich hier gestern Nachmittag zwischen meinem Mann und mir ereignet hat. Ich traue mittlerweile meinen eigenen Gefühlen und Gedanken nicht mehr, weil mein Mann das alles so gegenteilig darstellt und die Situation so relativiert.

Ich habe gestern, nachdem wir von einem Ausflug zurückgekommen sind, die Spülmaschine ausgeräumt. Während ich noch am Ausräumen war, räumt mein Mann schon das dreckige Geschirr in den oberen Auszug. Daraufhin war ich ziemlich genervt und mir ist herausgerutscht: „Das ist ja echt wie bei den Schülern“. Zur Erklärung: ich bin Lehrerin an einer Förderschule für Schüler mit einer geistigen Behinderung und da kommt diese Situation ziiiiemlich oft vor.
Daraufhin nahm mein Mann eine Wasserflasche, schraubte sie auf, baute sich drohend vor mir auf und sagte mit wutverzerrtem Gesicht und in sehr aggressivem Tonfall: „Willst Du eine kalte Dusche?“ Daraufhin habe ich gar nichts mehr gesagt, sondern bin wie versteinert stehengeblieben.
Er hat seine Drohung dann nicht wahr gemacht, ist kommentarlos aus der Küche gegangen und hat ein Mittagsschläfchen gemacht.
Später habe ich ihn darauf angesprochen und gesagt, dass er mit dieser Reaktion bei mir eine Grenze überschritten hat. Das ist für mich eine Form von Gewalt und so möchte ich nicht mit mir umgehen lassen. Er sagte dann zwar quasi Entschuldigung – aber in einer Art, die das Ganze nicht als Entschuldigung erkennen lässt, sondern eher eine Rechtfertigung und Relativierung seines Verhaltens war. Das wäre eine normale Reaktion gewesen, meinte er.
Der Wortlaut war ungefähr „Ich entschuldige mich, wenn das so bei Dir angekommen ist. Aber Du hast mich halt auch so provoziert.“
Später sagte er dann noch: „Das war doch nur ein Spaß.“
Ich fühle mich absolut unverstanden. Durch diese Pseudo-Entschuldigung fühle ich mich auch noch mal mehr angegriffen, weil er mir dadurch das Gefühl gibt, meine Sicht nicht ernst zu nehmen und das Ganze zu verharmlosen und als einen Spaß darzustellen. Das war es definitiv nicht.
Er warf mir dann noch vor, dass er sich ja entschuldigt habe, aber ICH das für mein Verhalten im Vorfeld ja nicht gemacht habe. Darauf sagte ich, dass mir bewusst sei, dass der Kommentar mit den Schülern nicht OK gewesen sei, und ich mich im Normalfall da auch direkt entschuldigt hätte. Ich aber jetzt da ein ganz anderes Problem sehen würde. Eine „normale“ Reaktion auf meinen Kommentar wäre für mich so was in der Art gewesen: „Ich bin keiner Deiner Schüler und ich möchte nicht, dass Du so mit mir sprichst… etc.“
Ich habe das Gefühl, ich rede gegen eine Wand. Er hört mir nicht zu, wenn ich mit ihm darüber sprechen will, gibt nur zynische Kommentare und Geräusche ab, wenn ich meine Sicht darlege. Für ihn ist das Ganze eine harmlose, lustig gemeinte Situation, an der ich die Schuld habe und für die ich mich entschuldigen soll. Und das sei ja keine Gewalt. Das war ja nur ein Spaß. Und ich übertreibe.
Für mich ist da aber tatsächlich eine Grenze überschritten worden und ich mag das so nicht stehen lassen. Für mich ist dieses aggressive Auftreten, das sich vor mir Aufbauen und das Aussprechen von Drohungen eine Form von Gewalt. Punkt. Ich verlange da keine Entschuldigung mehr für, aber ich hätte gerne das Gefühl, dass er mir da einfach mal zuhört und vielleicht auch einen eigenen Anteil an der Situation erkennen lässt.
Zusätzlich habe ich tatsächlich ein besonderes Problem mit dieser Relativierung von Gewalt und es fühlt sich für mich wie eine Schuldumkehr an. Nach dem Motto: Ich bin ja selber Schuld mit meinem Verhalten, wenn so mit mir umgegangen wird.
Ich weiß jetzt auch gar nicht, wie ich mich weiter verhalten soll. Gespräche bringen nichts – er hört mir nicht zu, findet alles übertrieben und lächerlich.
Mich so zu verhalten, als sei alles OK bringe ich nicht über mich.
Beleidigt schmollen finde ich auch nicht angemessen.
Ich bin echt ratlos.
Übertreibe ich?
Sorry für den langen Text, ich hoffe, es ist verständlich geworden, um was es mir geht.
Danke für Eure Impulse!!!!!!

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"Eine „normale“ Reaktion auf meinen Kommentar wäre für mich so was in der Art gewesen: „Ich bin keiner Deiner Schüler und ich möchte nicht, dass Du so mit mir sprichst… etc.“"

Eine normale Reaktion auf sein Eingeräume wäre aber auch gewesen "Bitte warte gerade, bis ich fertig bin, das stört mich hier gerade, wenn wir zu zweit rumfuhrwerken." etc.

Denn dein Satz ist völlig unpassend gewesen, ja.

Ihr habt euch da BEIDE nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

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Aber er hat ihr körperliche Gewalt angedroht,das ist.meiner Meinung nach etwas völlig anderes ,außerdem sieht sie es ja sogar ein , er aber nicht . außerdem hat sie ja auch sogar Recht , es war ja wie bei ihren Schülern ....wer räumt denn dreckiges Geschirr rein wenn das saubere noch nicht ausgeräumt ist ?!

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Jetzt lass mal die Kirche im Dorf. Das ironisch gemeinte Androhen einer "kalten Dusche" ist sicherlich keine "körperliche Gewalt". Hier haben sich beide Seiten in einer stressigen Situation im Ton vergriffen. Nicht mehr und nicht weniger. 2 Erwachsene Menschen sollten es schaffen, sich bei einander zu entschuldigen und sich danach wieder den schönen Dingen des Lebens zuzuwenden.

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2

Zitat:
Darauf sagte ich, dass mir bewusst sei, dass der Kommentar mit den Schülern nicht OK gewesen sei, und ich mich im Normalfall da auch direkt entschuldigt hätte

Dann mach das doch. ER hat sich entschuldigt. Er erhofft/erwartet nun auch eine Entschuldigung von dir. Warum tust du es nicht und ihr fahrt zusammen mal runter. Es geht nicht, dass du ihn wie deinen Schüler behandelst - er ist dein Partner auf Augenhöhe und somit ist es einfach eskaliert. Vielleicht war es nicht zum 1. Mal und ihm ist einfach mal die Hutschnur geplatzt? Ich finde seine Entschuldigung absolut in Ordnung. Warum nimmst du sie nicht an? Da liegt doch das Problem. Er ist aus der Haut gefahren, hat sich entschuldigt. Du willst es nicht annehmen und dich auch nicht entschuldigen und suchst nun weitere Fehler in ihm? Ich würde mich an deiner Stelle selber reflektieren und mich mal zurückziehen. Was willst du denn noch von ihm und warum schaffst du es nun nicht, dich bei ihm zu entschuldigen? Er ist dein Mann.

Bearbeitet von Diddl97
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Danke euch schon mal für Eure Sicht!

Ich denke ganz viel darüber nach.
Der Kommentar war super doof. Das hab ich ihm ja auch gestern schon gesagt.
Das hätte nicht sein müssen. Weiß ich. 🙈

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Mein Impuls dazu:

Würde ich meinen Partner in seinem Verhalten mit einem geistig Behinderten gleichsetzen, würde bei uns zu Hause der Haussegen mächtig schief hängen.

Der Satz mit deinen Schülern war aus meiner Sicht total drüber und das bei einer vermeintlichen Kleinigkeit. Teilst du verbal häufiger so aus? Falls ja, hat sich da bei ihm eventuell etwas angestaut, was sich in dieser Situation entladen hat.

Ich würde mich an deiner Stelle aufrichtig entschuldigen und an meiner Kommunikation arbeiten.

Mein Partner wäre zu Recht tief getroffen, wäre mir so eine Beleidigung rausgerutscht.

Bearbeitet von Bema91
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Hm, behindert sein ist also eine Beleidigung? Noch dazu anscheinend eine besonders schlimme? Sehe ich persönlich ganz anders...

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Aus welchen meiner Zeilen liest du das heraus? So steht es da nicht und so ist es auch nicht gemeint.

Zum Thema was eine Beleidigung ist und was nicht:

Man kann sagen: "Du erinnerst mich an meine Schüler", dabei nett lächeln und ausdrücken wollen, wie lebensfroh und lebensbejahend Menschen mit geistigen Behinderungen doch sein können. Wie schön es ist, dass sie Aufgaben vielleicht nicht so ernst nehmen und trotzdem bewältigen. Dann schaut man liebevoll seinen Partner an und denkt sich "Ach der Hans-Peter, der nimmt es hier zwar nicht so genau, aber ist so ein lustiger und lockerer Typ. Mit ihm macht die Arbeit doch gleich mehr Spaß". Dann kann ein solcher Satz ein Kompliment sein.

Oder man kann sagen: "Du erinnerst mich an meine Schüler", total entnervt sein, dass der Partner eine vermeintlich einfache Tätigkeit nicht ordentlich ausführen kann und sich denken "man ist der Hans-Peter aber schwer von Begriff, eine Spülmaschine einzuräumen ist wahrhaftig nicht so schwer. Wie kann man nur so doof sein". Dann ist es sehr wohl eine Beleidigung.

Es hängt davon ab mit welchen Eigenschaften eines geistig behinderten Menschen man den Partner gleichsetzt. Die Intention macht es zur Beleidigung.
Laut Eingangspost war die Intention der TE nicht nett gemeint und sie bezog sich auf die eher negativen Eigenschaften/Verhaltensweisen Ihrer Schüler.

LG

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Ich finde nicht das man sowas pauschal einschätzen kann. Vielleicht war die Reaktion deines Mannes einfach ein: kommst du eigentlich klar oder brauchst du eine kalte Dusche. In dem Fall halt mit Untermalung der Wasserflasche. Einfach um dir deutlich zu machen, dass der Spruch absolut unangemessen war.

Was ich sagen will: als Außenstehender eine von dir geschilderte Situation einzuschätzen ist objektiv nicht möglich.

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Ich persönlich hätte mit "willst du eine kalte Dusche" tatsächlich einen Witz aufgefasst, mein Mann macht das zB auch häufiger, auch andere Sachen und dabei ist definitiv keine Gewalt zu finden.
Ich kenne aber deinen Mann nicht und weiß nicht, wie er sonst so tickt oder ihr miteinander redet.
Also ja, ich finde es allein vom Geschriebenen her total überzogen von dir.
Und überhaupt ist es nicht fair von dir, dass du auch einen blöden Satz von dir gibst, dich aber nicht entschuldigen kannst.

Aber ich war nicht dabei und du hast eben diese Gefühle, was du damit machst, ist dir überlassen

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Hey!

"Das ist ja wie bei meinen Schülern" würde für mich nicht "Du bist auch geistig behindert." bedeuten, sondern maximal "Du verhältst dich wie sie."

Ist er denn häufig so, wie du es schilderst? Droht er, dreht er schuld um, trägt er Verantwortung?

Liebe Grüße
Schoko

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""Das ist ja wie bei meinen Schülern" würde für mich nicht "Du bist auch geistig behindert." bedeuten, sondern maximal "Du verhältst dich wie sie.""

Und selbst das ist einfach völlig unpassend, um seine eigene Genervtheit rauszulassen!
Die TE möchte gescheite Kommunikation? Dann sollte sie sich da auch dran halten.

Der Mann hat ja gar nix Schlimmes getan, sondern eben beim Einräumen der Spülmaschine geholfen. Dafür bekommt er dann so einen Satz an den Kopf geworfen, nur weil die TE genervt war? ....

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Es ist Hilfe für dich wenn du gerade am ausräumen bist und dein Mann räumt einfach schön dreckiges rein ?! Ich hätte genauso reagiert wie sie , er HAT sich doch auch in dem Moment so verhalten wie sie sagt , da ist doch keine Hilfe ...
Und das relativiert jetzt angedrohten Gewalt ?!

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So als Außenstehender ist es natürlich auch schwer zu beurteilen, inwiefern dein Mann wirklich aggressiv war oder eher eine Mischung aus "genervt und mit blödem Spruch kontern" ohne wirklich vorzuhaben, dich mit Wasser zu übergießen oder sonstwas zu tun. Wenn letzteres der Fall ist, wundert er sich jetzt natürlich, warum du die letztendlich harmlose Situation immer wieder aufbringst.

Andererseits ist es auch nicht schön, dass dir deine Gefühle abgesprochen werden. Ich habe eine sehr viel niedrigere Schwelle als mein Mann, wenn es darum geht, was mir Angst macht oder mich verunsichert oder triggert. Wenn sich Konflikte oder auch nur Witze hochschaukeln, interpretiere ich schnell über. Dann sage ich meinem Mann, dass mich dasunddas immer noch belastet oder verunsichert und er hört mir zu und tröstet mich, auch wenn es von ihm gar nicht so gemeint war.

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Hallo

Deine Bemerkung war definitiv ebenso unnötig. Er wollte helfen und Du lässt die Oberlehrerin in Dir raus.

Wenn Du darauf bestehst, er sei alleinig verantwortlich und hätte eine Linie überschritten, solltest Du Dir überlegen, ob es ein partnerschaftlicher Umgang ist, seinen Partner auf das geistige Niveau eines Sonderschülers zu degradieren.

Aber ganz jenseits davon: Solche Petitessen sind Symptom, nicht Ursache. Wahrscheinlich geht Ihr Euch schon länger auf die Nerven und Kleinstigkeiten bringen diese DIssonanzen zum Vorschein.

Die Aktion von Deinem Mann war im Übrigen ebenso albern und nein, die Androhung einer kalten Dusche, ist für mich, in der Situation keine Grenzüberschreitung. Allerdings solltet Ihr an Euch arbeiten denn eines Tages zieht er Dir vielleicht mit der Flasche eins über (oder Du ihm) und dann ist es eine Grenzüberschreitung.

VG