Die Allmacht der Ärzte

Ich schreibe mal hier, weil ich nicht wusste, ob es eher ein allgmeines Thema oder doch ein zu Gesundheit passt.

Mich beschäftigt folgendes:

Wieso dürfen sich Ärzte herausnehmen zu entscheiden, wie man sehr man leidet?

Ich hatte gestern eine Arte Reportage gesehen, da ging es um Sterbehilfe in Belgien, die dort wohl jetzt erlaubt ist.
Das Prozedere sieht dort vor, dass man einem Arzt darlegen muss, dass man krank ist und sterben möchte. Es folgt ein Gespräch usw. In der Reportage war das Kamerateam bei diesen Gesprächen dabei.

Ich möchte hier jetzt nicht auf alle einzelnen Details eingehen. Mir stellt sich nur die Frage, wieso darf ein Arzt darüber urteilen, wie schlimm ein jeder Mensch sein Leiden empfindet? Es hat doch jeder ein anderes Schmerzempfinden oder auch eine andere Grenze, bis wohin man eine Einschränkung akzeptieren kann. Wieso kann es nicht respektiert werden, dass z.B.

86 jähriger Mann, der jetzt vielleicht "nur" schmerzhaftes Rheuma hat, nicht mehr leben möchte

oder

eine Frau um die 50, die seit ihrem 8 Lebensjahr wegen schwerer Depressionen in therapeutischer Behandlung ist, einfach keine Lust mehr hat. Sie hat in der Reportage angegeben, dass sie "ordentlich" sterben möchte und sich nicht z.B. vor den Zug werfen will, weil sie dann ja noch andere Leute damit belästigt.

Aus Sicht des Arztes "war das alles nicht so schlimm, da kann man ja was dagegen tun". Wieso dürfen sich Ärzte sowas anmaßen zu beurteilen, was für andere "schlimm" ist oder nicht? Und ist es dann dieser Arzt, der die Überreste von den Gleisen kratzen muss? Wohl eher nicht.

Ich persönlich habe da auch so meine Erfahrung, bei der ich schon seit 20 Jahren bei verschiedenen Ärzte um eine Totaloperation bettele. Es wird mir nicht gewährt, weil ich bin "zu jung". Und soooo schlimm können die Beschwerden ja nicht sein. Ist es nicht meine Entscheidung ob ich dafür zu jung bin und ob ich diese Beschwerden noch weiter ertragen möchte?

Vielleicht sind hier ja ein paar Ärzte, die mal berichten wollen, wo diese Bevormundung der Patienten herkommt und was damit bezweckt werden soll.

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Hallo!

Bei aktiver Sterbehilfe rufen immer alle : Ja, na klar! spricht nix dagegen.

Ich finde aber doch, dass einiges dagegen spricht oder zumindest die Entscheidung dafür niemals eine leichte sein kann.
Die Antwort vieler ist ja, dass sie schmerzfrei sein und nicht zur Last fallen wollen. Ich denke schon, dass das irgendwer aufdröseln muss und gucken sollte, ob es eine bessere Möglichkeit der Unterbringung, der Schmerzeinstellung, der Begleitung gibt. Sonst sind wir nämlich schnell da, dass alte Menschen aus sozialen Gründen sterben SOLLEN.

Meine Frage ist immer: Wer soll das eigentlich vollziehen?
Ich möchte keinen Arzt in meiner Nähe haben, dem es nichts ausmacht, ein Leben zu beenden. Und die, denen es etwas ausmacht und die es trotzdem tun, weil sie das Leid verstanden haben, werden das nicht lange aushalten.
Ich arbeite in einem Hospiz. Ich spare nicht mit Betäubungsmitteln, aber niemals werde ich ein Leben absichtlich beenden. Ich nehme ab und zu in Kauf, dass die benötigte (!) und angeordnete (!) Dosis zu hoch sein könnte und der Tod deshalb eher eintritt, aber ich werde niemals absichtlich eine zu hohe Dosis geben. Damit käme ich nämlich nicht klar.

Mein Vater hat immer gesagt: "Wenn ich Krebs habe, dann erschieß mich!" und ich habe immer geantwortet: "Erschieß dich selbst!" Wie kann man verlangen, dass jemand anderes das für einen übernimmt? Sicher gibt es Fälle, in denen man den Leuten eine Tablette in die Hand drücken könnte und sie nehmen das selbst ein, aber das wären eher die Ausnahmen.

Wir eiern schon bei palliativer Sedierung rum, weil die Entscheidung jedes Mal eine verdammt schwere ist. Es ist manchmal so schwer zu verstehen, wer die eigentlich will. Der Patient oder doch eher die Angehörigen, die die Situation nicht mehr aushalten (wollen)?

Es gibt sicher Fälle, in denen aktive Sterbehilfe die einzige Lösung wäre. Das sind aber weniger als die meisten, die sich eher nicht damit beschäftigen, denken. Im Hospiz ist es manchmal, aber selten, Thema. Bei uns geht es um die o.g. Themen: gute Pflege, ausreichend Schmerzmittel, nette Atmosphäre. Damit ist Sterben immer noch harte Arbeit, aber irgendwie halten die meisten das ganz gut aus und leben im Moment.

Ansonsten gebe ich dir Recht, dass Ärzte oft sehr selbstgefällig sind und einen enormen Erziehungsanspruch haben. Es geht meist ausschließlich um den Körper und selten darum, dass wir mehr sind als Körper. Die meisten Ärzte haben eine schreckliche Angst, was falsch zu machen und dafür belangt zu werden. Wenn sie dir jetzt die Gebärmutter entfernen und du in drei Jahren kommst und sagst, dass das ein Fehler war und wieso man dich so falsch beraten hat, dann sind die Ärzte am Ar.... Dieses Gesundheitssystem ist nämlich ziemlich ausgelaugt und am Ende.

LG

Bearbeitet von golm1512
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Dein letzter Abschnitt hat weniger etwas damit zu tun, dass unser Gesundheitssystem am A... ist, als viel mehr damit, dass sich ein Arzt für alles und vor jedem rechtfertigen muss. Seit 2013 das Patientenrechtegesetz in Kraft trat, stehen Ärzte im Grunde unter Generalverdacht. Egal, was bei einer Behandlung schief läuft, sie sind immer Schuld - auch wenn sie ein Problem u.U. gar nicht hätten vorhersehen können. Ich hätte als Studentin mal bei einer Operation dabei sein sollen, die abgebrochen wurde, weil der Patientin sich bei der Narkose übergeben hat - er hatte vor der OP noch etwas gegessen oder getrunken. Woher soll der Arzt das wissen? Bei jedem Narkosegespräch weist der Anästhesist darauf hin, dass man zur OP nüchtern sein muss. Was kann der Arzt dafür, wenn der Patient sich nicht daran hält? Jetzt hatten die Ärzte damals Glück, das ganze rechtzeitig zu bemerken. Hätten sie das nicht bemerkt, wäre der Patient u.U. erstickt. Dann hätten die Ärzte nachweisen müssen, dass sie den Patienten aufgeklärt haben (und ich persönlich frage mich bei all den Arztserien, die es gibt, welcher erwachsene Mensch heutzutage nicht weiß, dass man für eine Narkose nüchtern sein muss).
Ich selbst hab vor Kurzen mit einem Juristen der Zahnärztekammer telefoniert, weil ich eine kieferorthopädische Behandlung von einem Kollegen übernehmen soll. Der minderjährige Patient (trägt bereits eine feste Spange) kommt aber immer alleine in die Praxis. Ich muss aber bei Kindern bei jeder kieferorthopädischen Behandlung die Eltern über Risiken, Nebenwirkungen, Alternativen, Kosten... aufklären, ohne das Einverständnis der Eltern darf ich strenggenommen nicht behandeln. Der Jurist ging sogar soweit, dass er meinte, ohne Einverständnis der Eltern dürfe ich noch nicht einmal die feste Zahnspange entfernen - und jetzt? Der Patient hat Rechte, ich hab Pflichten. Die Pflichten des Patienten und die Rechte der Ärzte sind leider nirgends so genau festgeschrieben.

LG

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Ja,du hast Recht. Das war eine falsche Schlussfolgerung bzw. hätte ich das genauer benennen sollen. Das eine hat nur wenig mit den anderen zu tun.

Das System ist ausgelaugt. Es hat viel mit der Anspruchshaltung von Patienten und Patientinnen zu tun, die vieles nicht verstehen (wollen) und zu oft klagebereit sind und Schuldige suchen. Manchmal bin ich ein wenig fassungslos, wie wenig Ahnung die allermeisten von ihrem Körper und überhaupt von Krankheiten haben. Ebenso ratlos macht mich oft, wie einfach die Verantwortung am eigenen Körper an Ärzte und Pflegende abgegeben wird. Dann sollen andere entscheiden, aber bitte richtig.

Auf der anderen Seite ist da aber auch der Machbarkeitswahn auf der Arztseite. Du glaubst gar nicht, wie abgeranzt und übertherapiert manche bei uns im Hospiz ankommen. Einige blühen regelrecht auf, wenn die blöde Chemo einfach mal wegbleibt und wir Medikamente auf ein Minimum reduzieren. Ärzte und Ärztinnen wollen Leben erhalten und nicht beenden. Das geht klar, aber muss so ein Leben um jeden Preis erhalten bleiben oder darf man auch mal was sein lassen? Natürlich muss das kommuniziert und erklärt werden und zwar ausführlich und mehrmals.

Alles ist zertifiziert und in irgendwelche Standards gepackt, aber das Wesentliche bleibt oft auf der Strecke. Jedenfalls am Ende des Lebens.

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Hallo!

Sterbehilfe - insbesonders aktive - ist ein ganz schmaler Grat!
Letztlich ist es in Deutschland ein Straftatbestand, einen Menschen zu töten, und weder in Belgien, noch in der Scheiz oder sonst irgendwo ist das anders. Und in Ländern, wo Sterbehilfe erlaubt ist, gibt es sehr klare Vorgaben, wann Sterbehilfe erlaubt ist. So heißt es im Belgischen Gesetzestext u.a.:
"Ein Arzt, der Sterbehilfe leistet, begeht keine Straftat, wenn er sich vergewissert hat...
-dass der Patient sich in einer medizinisch aussichtslosen Lage befindet und sich auf eine anhaltende, unerträgliche körperliche oder seelische Qual beruft, die nicht gelindert werden kann und die Folge eines schlimmen und unheilbaren unfall- oder krankheitsbedingten Leidens ist. ..."

Und das alles ist natürlich absolut nicht objektiv beurteilbar. Von daher würde ich, wenn ich Arzt wäre, nie und nimmer in irgendeiner Form Sterbehilfe anbieten. Im Grunde steht man immer mit einem Bein im Knast, wenn man so etwas macht (das trifft übrigens nicht nur auf Sterbehilfe zu). Und abgesehen davon, haben die meisten Ärzte Medizin studiert, um Menschenleben zu retten, nicht um ein Menschenleben zu beenden. Von daher kann ich jeden Arzt verstehen, der keine Behandlungen durchführt, hinter denen er nicht zu 100% steht. Es geht nicht darum, zu beurteilen, wie stark ein Patient leidet - das ist sehr subjektiv. Es geht hier um die ethische Vertretbarkeit von Behandlungs- und eben auch Sterbehilfemaßnahmen.

LG

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Ich verstehe was Du meinst.

Aber ist man als Azrt nicht eher dazu da, Menschen zu helfen? Auch, wenn das manchmal eben bedeutet, dass man ihn von seinem Leid erlöst?

Und ist es auch nicht etwas die Verantwortung von sich weggeschoben, wenn jemand, der psychisch krank ist um Sterbehilfe bittet, man sie ihm verweigert und derjenige sich dann vor den Zug wirft. Wer fragt denn den Lokführer, ob er damit klar kommt?
(kleine Randnotiz: Ein Bekannter ist Lokführer und das kommt gar nicht mal so selten vor, wie man meint, die Meldungen in der Presse sind tatsächlich nur ein kleiner Anteil dessen, wieoft es wirklich passiert)

Und der Psychisch Kranke hat ja noch "Glück". In der Regel ist er in der körperlichen Verfassung sich aufs Gleis zu legen. Was bleibt denn denn körperlich eingeschränken noch für eine Wahl, als die Qual auszuhalten? Ist das menschlich?

Und zum Thema "Gesundheitssystem am Limit" - viele Fachärzte haben ja auch kein Problem damit wirklich kranken Menschen, die wirklich dringend z.B. einen Kardiologen bräuchten erst in 9 Monaten einen Termin zu geben. Damit können sie ja auch ganz gut leben, wenn der Patient während der Wartezeit auf einen Termin verstirbt.

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Ich sag ja, dass ist ein schwieriges Thema. Aber bei physisch kranken ist die Pallliativmedizin mittlerweile schon sehr weit, es muss keiner mehr leiden bis zum Schluss.
Abgesehen davon kann man gerade die von Dir geschilderten Fälle ganz schwer beurteilen. Aber wenn mehrere Mediziner in den Fällen Sterbehilfe abgelehnt haben, wird das seinen Grund haben. Es gibt Gesetze und es gibt Voraussetzungen, unter denen ein Arzt Sterbehilfe leisten darf. Wenn ein einzelner Arzt entscheidet, dass die Voraussetzungen nicht gegeben sind, ist das die eine Sache. Aber wenn es gleich mehrere Ärzte sagen, muss da doch etwas dran sein. Und der Gesetzgeber hat die Regeln ja nicht umsonst so eng gefasst. Das dient letztlich auch dem Schutz der Ärzte. In der Schweiz wird kritisiert, dass die Regeln für assistierten Suizid nicht klar genug sind. Hier gab es auch schon Klagen gegen Ärzte. In Belgien sind die Regeln strikter, was es den sterbewilligen natürlich schwerer macht. Es ist und bleibt nicht einfach...

LG

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Es ist eine Abwägung verschiedener Interessen: der Betroffenen, der Allgemeinheit in Form von Gesetzen und der entscheidenden Ärzte. Es ist nicht möglich allen gleichzeitig immer vollständig gerecht zu werden. Auch Ärzte haben eigene Interessen und auferlegte Interessen die alle im Widerspruch zu den Interessen des Betroffenen stehen. Ich kenn das Prozedere nicht, aber es klingt so wie Du es schreibst erstmal sehr willkürlich und damit auch anfechtbar - was dann eine Zurückhaltung der Ärzte fördern kann.

Zur Frage ob es deine Entscheidung ist. Nein ist es nicht. Gesetze spiegeln mit zeitlicher Verzögerung im groben einen gesellschaftlichen Konsens wieder und der ist anders. Zum Beispiel, weil sich der Wille auf wieder ändern kann. Man kann die Ärzte über einen Kriterienkatalog (Alter, Lebenserwartung usw.) entlasten, so dass ein Arzt bei Erfüllung bestimmter Kriterien überflüssig wird.

Bearbeitet von Inaktiv
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Hi,

ich finde Sterbehilfe grundsätzlich in Ordnung, weil jemand der wirklich nicht mehr Leben will findet sonst einen anderen Weg der andere dann ggf. schädigt.

Aber natürlich geht das nicht einfach so.

Ich finde es wichtig, dass sich jemand damit auseinandersetzt und wirklich erklären kann warum. Und wenn er das nicht kann, dann will er vielleicht im Moment, weil ihm das als einziger Ausweg erscheint, aber dann gibt es vielleicht noch andere Hilfe, die noch gar nicht in Anspruch genommen wurden.

Sterbehilfe sollte der Ausweg sein, der Letzte um unnötiges Leid zu ersparen.

Ich denke, jemandem mit Depressionen kann evt. vielleicht doch noch geholfen werden. Neue Therapie, Medikamente. Evt. wird man dann auch eher ernstgenommen von anderen Ärzten, oft ist es ja so, dass erst bei einem Suizid Versuch alle mal aufwachen und merken: Ups, das ist wohl doch schlimmer als gedacht.

Jemand mit einer Krankheit im Endstadium, der nichts mehr machen kann, geistig noch fit ist, aber körperlich einfach nichts mehr machen kann und einfach noch Wochen warten muss, bis sein Körper aufgibt, warum sollte man den nicht früher gehen lassen dürfen? Da gibt es keine Besserung mehr, nur noch das Sterben.
Ich würde es jedem gewähren, der in dieser Situation ist.
Ich habe zum Thema auch schon eine Dokumentation gesehen, da ging der Schwerkranke dann endlich in die Schweiz, vorher wollten die Ärzte verhindern das er ausreist, aber als er dort war, war er zu schwach den Cocktail selbst zu trinken und das war Voraussetzung für die Sterbehilfe.
Als er lag noch ein paar Tage im Bett und ist dann gestorben, nicht wie gewünscht in Würde.

Es hätte keinen Unterschied gemacht, wenn man ihm diesen Cocktail einfach auch in Deutschland gegeben hätte. Er hätte früher seinen Frieden gehabt ohne für sein Sterben kämpfen zu müssen nur um dann am Ende zu scheitern und doch den Weg ganz zu Ende gehen zu müssen.

Ein Fall andersrum, da wollten die Eltern nicht, dass die lebenserhaltenden Geräte ihres Sohnes abgeschalten werden, weil sie einfach noch nicht bereit waren Abschied zu nehmen. Die Ärzte wollten aber das Leben des Kindes beenden, weil es keine Aussicht auf Besserung gab. Hier haben die Gerichte dann entschieden, dass die Geräte abgestellt werden. Gegen den Wunsch der Eltern. (nicht in Deutschland, ich glaube in Großbritannien war der Fall)

Was ich aber auch schon gesehen habe, war eine Dokumentation über Suizide und die Überlebenden davon.
Die Mehrheit war froh, dass sie nicht tot waren und haben das als neue Chance gesehen, mit Behandlung usw. Von daher sehe ich Depressionen jetzt auch nicht als Grund für Sterbehilfe. Denn diese sind behandelbar, es ist manchmal ein langer Weg bis zur richtigen Behandlung und viele erhalten diese auch nur entweder nach einem Suizidversuch oder durch Hilfe von Angehörigen, da viele leider selbst nicht in der Lage sind für sich zu kämpfen.

Aber jemanden für ein paar Wochen länger am Leben zu erhalten, nur damit er leidet und es ihm schlecht geht, nein, das halte ich für den falschen Weg.

Ich würde meinen Angehörigen definitiv unterstützen, wenn er diesen Weg wählen würde. Ich sehe das als nichts Schlimmes. Der Tod gehört zum Leben dazu und wenn der Tod eh kommt, dann darf man ihm auch entgegen gehen.
Mein Uropa hätte sich noch behandeln lassen können, gegen seinen Krebs, das hätte ihm noch ein paar Monate, evt. sogar über ein Jahr geschenkt, aber er wollte nicht. Er sagte: Ich bin über 90 jahre, die Chemos machen mich nur kaputt und das will ich nicht, dann kann ich auch nichts mehr machen und liege nur im Bett.
Wir als Familie haben ihn dabei unterstützt und ihn diese Entscheidung überlassen. Er ist nach ein paar Wochen dann verstorben. Friedlich und dank palliativ Pflege schmerzfrei.

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Keine Ärztin, aber seit fast einem Jahrzehmt in der Medizin:

- ja, es gibt empathielose, inkompetente Ärzte. Genug gesehn genug erlebt und es tut mir ernsthaft leid, wenn du nicht ernstgenommen wurdest mit deinen Schmerzen. Dennoch obliegt die Entscheidung über eine OP beim Operateur und nixht beim Patienten. Der Operateur muss dafür gradestehen und vertreten können, wenn du damit später nicht zufrieden bist (und ja, ich habe Klagen für OPs die bewusst gewünscht und abgeklärt waren erlebt). Vor allem einschneidende OPs sind bei nicht wasserdichter medizinischer Indikation sehr sehr schwierig und wenn alles immer klar wär, würden wir nicht so viel mit Patienten nach Vasektomien und Sterilisierungen rumtun, weil die fünf Jahre später ihre Meinung ändern. Noch schlimmer bei Voll-OPs wo di vl in dem frühen Wechsel kämst

Nun zur Sterbehilfe: Man wird nicht Arzt um Menschen in den Tod zu geleiten. Wenn ein Arzt nicht will, das mental nicht kann (ja, das sind auch Menschen oder würdest du das gut verdauen können?), dann ist das seine Entscheidung. Suizid ist ein schwieriges Thema und definitiv nicht Teil der medizinischen Grundversorgung. Vor allem psychisch Erkrankte kannst du nicht einfach 'unterstützen', wenn du Chance auf Heilung siehst. Für alles andere ist Palliativmedizin da.

In den meisten Ländern gibt es einfach gar kein Recht auf assistierten Suizid. Darüber kann man diskutieren. Aber Medizin ist kein McDrive wo man sich wünschen kann, was der Arzt heut macht.

Wie gesagt, das heisst nicht dass ich nicht stundenlang Kritik an unseren heutigen Zuständen finden kann. Die ist da und vielea rennt falsch in der Medizin, aber Ärzten vorzuwerfen, dass sie ihre Allmacht ausleben wenn sie jemanden nicht über den Jordan bringen ist imho nicht richtig.

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Ich habe neulich noch eine weitere Doku gesehen, da ging es um die Sterilisation von Frauen, die keinen Kinderwunsch hatten. Also vorallem jüngere Frauen. Da hat sich zumindest etwas getan. Ich selbst hab mich nicht damit beschäftigt aber es gibt da wohl eine Übersicht von Ärzten, die das jetzt auch für jüngere Frauen anbieten. Ich finde das ist schon ein Schritt in die richtige Richtung :-)

In meinem Fall wäre die Totaloperation übrigens "egal" - selbst mit Kinderwunsch würde ich mit 49 vermutlich ohnehin nicht mehr schwanger werden können. Und gerade in diesem Fall ärgert es mich, dass das wohl als Grund angegeben wird. Man könnte mir damit einfach ein paar Jahre Lebensqualität schenken. Oder ein anderer Gedankengang: Alleine die Aussage, soooo schlimm ist das ja nicht. Schon die triggert mich. Wieso denkt der Arzt (oft männlich), dass es gar nicht sooooo schlimm sein kann. Wäre die Aussage wenigstens ehrlich "ich darf das rechtlich nicht, ich komme in den Knast, ich schaffe das mental nicht - whatever" Alles wäre besser als die Aussage: kann nicht so schlimm sein.

Nein, die Medizin in kein McDrive aber trotzdem würde ich den Arzt schon als eine Art "Dienstleister" sehen. Nimm mal die Schönheits-Chirurgen, arbeiten die etwa nicht "auf Bestellung".

Und wie, in einer anderen Antwort schon geschrieben: Bei Menschen mit Suizid-Gefahr ist es halt auch einfach eine Abschiebung der Verantwortung. Der Lokführer hat auch keinen Spaß daran, über einen Menschen zu fahren. Vermutlich hat der Depressive von seinem Arzt auch oft genug gehört :sooooo schlimm ist das ja nicht.

Da müssten sich Ärzte halt auch mal eingestehen, dass es vielleicht doch soooo schlimm ist und man nicht jedem helfen kann.

Die Abschätzung im Einzelfall muss natürlich gegeben sein. Wenn jemand jetzt mal 3 Wochen depressiv ist, klar, erstmal Therapie und/oder Medikamente. Wenn jetzt aber jemand schon 30 Jahre Therapie hinter sich hat und die Leber sich, dank der vielen Medikamente, auch langsam verabschiedet, wieso den Menschen noch weiter quälen?

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Auch bei Schönheitschirurgen gibts solche und solche. Ein Bekannter von mir operiert zB prinzipiell keine Raucherinnnen weil er deren miserable Wundheilung kennt und nicht will dass derren Ergebnisse für seine Arbeit stehen. Ein anderer operiert niemanden der schon drei OPs hatte, weils da offensichtlich an der Selbstwahrnehmung hackt. Alles eine Frage der eigenen Ethik.

Und nochmal: Kein Arzt muss das als seine Aufgabe auffassen jemanden umzubringen. Ist das nicht ihr gutes Recht?

Und keiner muss vor den Zug springen um zu sterben, da gibts Varianten ohne Lokführer.

So Fälle wie deinen kenne ich zuhauf und wie gesagt, sowas macht mich auch wütend wenn komplett sinnlos nichts getan wird.

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Hi,

ich denke sogar manchmal, dass ich es nicht richtig finde, dass eigentlich nur unheilbare Krankheiten ein Grund für einen assistierten Suizid sind. Die Natur hatte es eigentlich mal so eingerichtet, dass für die allermeisten das Leben 'seinen Sinn erfüllt hat', wenn wir uns nicht mehr reproduzieren können und dass die meisten dann sterben. Durch bessere Lebensbedingungen und Medizin, leben wir heute deutlich länger. Aber muss das jeder?

Mein Opa war ein Mann, der sehr stolz auf seine geistigen Fähigkeiten und seine Bildung war. Als er mit 70 gemerkt hat, dass das alles langsam nachlässt (weit entfernt von einer Demenz oder so), hat er eine krasse Selbstverachtung entwickelt. Ich fand das als damals Jugendliche sehr verstöhrend. Für ihn war glaube ich das Leben auf einmal eine Qual, auch wenn er keine Schmerzen hatte. Er empfand seine Situation trotzdem als unerträglich. Ich fand es für ihn als Erlösung, als er morgens einfach nicht mehr aufgewacht ist. Heute denke ich ehrlich gesagt, das kam so überraschend, dass er vielleicht einen Weg gefunden hat.

Eine Großtante war eine sehr lebenslustige Frau, immer viel auf Reisen und hat daraus viel gezogen. Sie hat sehr lange wirklich große und auch abenteuerliche Touren gemacht, mit ca. 80 war dann aber doch irgendwann Schluss. Sie hat dann noch ein paar mal organisierte Busreisen probiert, aber das hat ihr nicht gefallen. Ich habe sie oft besucht, nachdem sie nicht mehr reise konnte und auch sonst nicht mehr viel erleben konnte, hat sie noch 2-3 Jahre erfüllt gelebt und von diesen Erinnerungen gezehrt, aber irgendwann ist das 'Ich hatte ein erfülltes Leben und bin dankbar dafür' gekippt in 'Wann ist es endlich rum'. Sie ist - zwar gebrechlich, aber eigentlich gesund - fast 100 gewurden und ich kann mich an 15 Jahre erinnern, in denen sich die Gespräche bei Besuchen eigentlich nur noch um 'Wann darf ich endliche gehen' und 'Warum straft mich Gott jetzt so?' gedreht haben. Jede Verabschiedung war 'Hoffentlich haben wir uns heute zum letzten mal gesehen'. Hätte sie früher sterben wollen? Ich glaube nicht, weil sie die Option als nicht erlaubt erfunden hätte. Trotzdem fand ich es sehr schade, dass sie nach einem eigentlich erfüllten Leben die letzten 15 Jahre als Strafe empfunden hat.


Ich sehe auch das Dilemma, dass die Möglichkeit zum assistierten Suizid keinen Druck ausüben darf, das auch nutzen zu müssen. Und dass es wirklich um den freien Willen gehen muss, der aber gar nicht so leicht zu ergründen ist und insbesondere stark durch gesellschaftliche Konventionen geprägt ist. Ich hab auch kein Patentrezept. Aber irgendwie finde ich schon, dass auch wer sein Leben gelebt hat und einfach nicht mehr will, auch der hat eigentlich ein Recht sein Leben zu Beenden und sollte bessere Möglichkeiten dazu haben wie 'sich vor den Zug werfen' (klar, gibt auch Alternativen, aber ich glaube keine ist einfach/sicher/angenehm).

Wer einen Waffenschein hat, darf in Deutschland ne Pistole kaufen, mit der man Leben beenden kann. Ein Medikament um selbst sein Leben angenehm zu beenden geht aber nicht.

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genau das ist es, was ich meine.

Der Arzt muss ja nicht mal selbst Hand anlegen. Ein Rezept ausstellen und fertig. Es verlangt ja keiner, dass er den Patienten eigenhändig erwürgt.

Und nicht zu vergessen: Es wurde keiner gefragt, ob er geboren werden möchte.

Das finde ich immer so erschreckend, wenn man von Leuten liest/hört, dass sie schon 2-3 Selbstmordversuche hinter sich haben. Da denk ich mir immer, ja mein Gott, dann lass sie doch sterben. Was soll das denn? Hat doch keiner was davon.

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Das Thema ist so extrem komplex, ich finde nicht, dass man da eine pauschale Antwort drauf haben kann und ich finde auch, dass Laien da nicht pauschal einfach daher reden können.


Ich will nur mal in den Raum werfen, da du immer wieder explizit die Allmacht der Fachkräfte erwähnt hast, so als ob wir unmenschlich wären etc.
Was ist denn mit den ganzen Angehörigeren, die auf Biegen und Brechen einen Tod vermeiden wollen.
Wir oft hatten wir in der letzten Zeit Ethikkonsile, weil explizit die Angehörigen nicht wollen, das Pat mit x sehr sehr schweren Erkrankungen, die eben auf den Tod hinauslaufen, versterben und man diese Patienten noch im Falle des Falles reanimiert etc. *Es wird noch alles erwünscht*, bei diesem Satz zucken mir direkt sämtliche Nerven zusammen.
Du hast in deinem Leben wie viele Tode gesehen, begleitet?
Ich begleite sie jeden Tag, wenn ich arbeiten bin und ich kann definitiv nicht behaupten, dass wir Menschen da einfach mit Schmerzen liegen lassen und alles dagegen machen, dass sie noch möglichst lange am Leben bleiben.
Ich bin eher erleichtert zu sehen, wie viele Ärzte gerade Tacheles mit Angehörigen reden und ihnen deutlich sagen, dass aus medizinischer Sicht alle weiteren Maßnahmen absolut unmenschlich und nicht richtig sind.

Es gibt verschiedene Sterbephasen, nur weil zB gestöhnt wird, heißt das nicht direkt, dass gelitten wird, manchmal gehören diese Laute einfach zum Prozess dazu und ein anderer Mensch wiederum schläft einfach ein.
Sieh dir mal die Cheyne Stokes Atmung an...

Wir geben sehr sehr starke Schmerzmittel, aber eben angepasst in der Dosierung, so dass es keine aktive Sterbehilfe ist, eine mögliche Nebenwirkung ist aber immer!, dass genau dieses Medikament atemdepressiv wirkt, es zu hoch eingestellt war und es somit zum Tod kommt.
Aber direkt von Anfang an sagen, wir geben eine Überdosierung, finde ich auch nicht richtig.
Und ich finde es auch überhaupt nicht richtig, dass du sagst, warum ein Tod nicht glatt über die Bühne laufen kann, du redest das meiner Meinung nach extrem klein und auch abwertend, so als ob das ein Gegenstand wäre, welches man dann schnell einpacken und entsorgen Mann, aber wahrscheinlich fehlen dir da einfach die praktischen Erfahrungen und man hat deshalb einen ganz anderen Blick drauf.

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"Und ich finde es auch überhaupt nicht richtig, dass du sagst, warum ein Tod nicht glatt über die Bühne laufen kann, du redest das meiner Meinung nach extrem klein und auch abwertend, so als ob das ein Gegenstand wäre, welches man dann schnell einpacken und entsorgen"

Danke. Das ist ungefähr das, was ich oben mit zu viel Worten zu erklären versuchte. Es sterben Menschen und in der Zeit des Sterbens passiert so viel Wichtiges. Trauriges und Schlimmes und Liebenswertes und Fröhliches, Oberflächliches und ganz viel Tiefes. Sterben braucht einen sichereren Rahmen und die oft propagierte schnelle Lösung, damit sich ja niemand wirklich damit beschäftigen muss.

Also: Danke.

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Finde ich persönlich unmöglich so ein Denken.
Aber da der Tod immer noch so ein großes Tabuthema ist, haben die meisten auch wirklich absolut null Ahnung.

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Aktive Sterbehilfe ist in Deutschland nunmal strafbar. Da können Ärzte nichts dafür.

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Ich würde das nicht Allmacht nennen.
Aber ich würde es mit meinem Gewissen vereinbaren können.
Wenn jemand zu mir kommen würde um eine sterbehilfe von mir zu bekommen, müsste ich auch nachvollziehen können warum. Sonst würden die Leute mich in meinen Träumen verfolgen.
Aus dem Grund bin ich auch gegen die Todesstrafe, ich könnte niemanden töten.
Die Grenzen von Ärzten dürfen auch gewahrt werden, sie sind Menschen wie du und ich und haben im besten Fall auch ein gewissen.
Liebe Grüße